06. Mai 2016
28. Aug 2016

Heinrich Kühns Kasten

Oder die Liebe eines Fotografen zum Material

Heinrich Kühn zählt zu den wichtigsten Vertretern der europäischen Kunstfotografie um 1900. Durch seine Studien zur kunstvollen Übersetzung der fotografischen Aufnahme auf Papier trug Kühn maßgeblich zur Entwicklung dieser ersten fotografischen Stilrichtung bei. Anlässlich seines 150. Geburtstages zeigt das Museum Folkwang eine exquisite Auswahl von 40 Arbeiten des deutsch-österreichischen Künstlers.

Heinrich Kühn suchte nach neuen Formen des fotografischen Bildes, die es dem technischen Medium erlaubten, ganz in den Kunstströmungen der damaligen Zeit, dem Impressionismus, Jugendstil und Symbolismus, aufzugehen – auf Augenhöhe mit der Malerei und der Grafik. Im Zentrum der Ausstellung Heinrich Kühns Kasten. Oder die Liebe eines Fotografen zum Material steht ein kunstvoller Schrank. Kühn ließ sich diesen Kasten von den Wiener Werkstätten anfertigen und bewahrte darin die unterschiedlichsten Papiere für seine Edeldruckverfahren auf, die er mit großer Meisterschaft praktizierte und weiter entwickelte.

Die Auswahl der Werke gibt Einblick in die stoffliche, materielle und sinnliche Qualität der unterschiedlichen Techniken und führt darüber hinaus auch durch die Sichtweisen und Genres der Fotografie Heinrich Kühns: von den frühen Landschaften über private Bildnisse und Szenen aus dem Kreis der Familie über Porträts von Kollegen und Künstlern, bis hin zu Stillleben, die bereits auf die Formensprache und Bildausschnitte der Moderne verweisen.

Über eine lange Zeit galt die Kunstfotografie als ein Irrweg des Mediums ob seiner zu großen Nähe zur Malerei. Heute wird dieses extravagante Kapitel der Fotografiegeschichte wieder äußerst geschätzt, aufgrund der großen gestalterischen Qualität und der modernen Haltung, die fotografische Aufnahme als Ausgangsmaterial für ein autonomes Bild zu verstehen – You do not take a photograph. You make it – wie es der große Fotograf und Kollege Heinrich Kühns Alfred Stieglitz auf den Punkt brachte.

Begleitend zur Ausstellung erscheint im Steidl Verlag ein aufwändig gestaltetes Buch, das sich im Besonderen der Ästhetik von Kühns Druckverfahren widmet. Mit Texten der internationalen Kühn-Spezialisten Monika Faber, Astrid Mahler und Andreas Gruber.

Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit dem Photoinstitut Bonartes, Wien.

Heinrich Kühn, o. T. (Stilleben mit Orangen), um 1909

Heinrich Kühn
o. T. (Stilleben mit Orangen), um 1909
Doppelter Bromölumdruck, 29,2 x 39 cm

Heinrich Kühn, Die Wiese, 1898

Heinrich Kühn
Die Wiese, 1898
Gummidruck, dreifarbig, 76,4 x 55,6 cm

Heinrich Kühn, Miss Mary (Warner) mit Lotte und Edeltrude Kühn in Bad Burgstall, um 1917

Heinrich Kühn
Miss Mary (Warner) mit Lotte und Edeltrude Kühn in Bad Burgstall, um 1917
Mehrfacher Ölumdruck, 38,5 x 27,4 cm