Museum Folkwang eröffnet große Kentridge-Retrospektive
Essen, 3. September 2025 – Mit der Ausstellung William Kentridge. Listen to the Echo widmet das Museum Folkwang einem der bedeutendsten Künstler der Gegenwart eine umfassende Werkschau. In Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden entsteht eine Doppelausstellung, die in Essen ab dem 4. September und in Dresden ab dem 6. September 2025 zu sehen ist.
„Listening to the echo refers to being open to what comes towards you... it may be something that you feel in your body as an excitement, without being able to put your finger on what it is.“, William Kentridge 2025
William Kentridge (1955, Johannesburg) setzt sich seit den 1980er-Jahren in seinen Arbeiten mit den politischen und gesellschaftlichen Realitäten seines Heimatlandes Südafrika auseinander – von der Apartheid bis zu den Nachwirkungen kolonialer Strukturen. Seine Werke verbinden persönliche Erzählungen mit globalen Themen und eröffnen einen Resonanzraum, der Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft.
Mit rund 160 Exponaten aus fünf Jahrzehnten umspannt die Ausstellung die gesamte künstlerische Laufbahn Kentridges. Zu sehen sind neben Zeichnungen und animierten Filmen auch Druckgrafiken, Skulpturen, Tapisserien sowie Mehrkanal-Filminstallationen. Seine filmischen Arbeiten vereinen Elemente von Spielfilm, Dokumentarfilm und Experimentalfilm, stehen jedoch auf einzigartige Weise zwischen diesen Gattungen. Die entscheidende Grundlage seines Arbeitens bleibt jedoch die Zeichnung. Dabei berührt Kentridges Bildsprache intellektuell und emotional.
Einen ersten Höhepunkt der Ausstellung bilden die animierten Kurzfilme Drawings for Projection, mit denen Kentridge früh international bekannt wurde. In ihnen setzt er sich kritisch und zugleich poetisch mit der Vergangenheit und Gegenwart Südafrikas auseinander. Themen wie der Aufstieg und Niedergang von Johannesburg, das nach Goldfunden im späten 19. Jahrhundert einen enormen Aufschwung als Minenstadt erlebte, eröffnen dabei Bezüge zu industriellen Entwicklungen in Essen und im Ruhrgebiet. Gezeigt werden die Filme Mine (1991), Sobriety, Obesity and Growing Old (1991), Other Faces (2011) und City Deep (2020). Eine Auswahl der für die Filme geschaffenen großformatigen Zeichnungen wird gemeinsam mit den Filmen präsentiert.
Der animierte Film Ubu Tells the Truth (1997) und die gleichnamige Grafikfolge sprechen mit der Apartheid ein zentrales Thema der südafrikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts an, dessen Echo bis heute nachklingt. Dies gilt auch für den Kolonialismus europäischer Mächte in Afrika, darunter nicht zuletzt das Deutsche Reich, der in der Ausstellung eine wichtige Rolle spielt – unter anderem in der großformatigen Zeichnungsserie Colonial Landscapes (1996/97) und der Dreikanal-Filminstallation KABOOM! (2017–18) über afrikanische Männer, Frauen und Kinder, die im Ersten Weltkrieg zwangsweise die Kolonialmächte als Träger unterstützten.
Ein Hauptwerk Kentridges ist die mechanische Miniaturbühne Black Box/Chambre Noire (2005), die als Leihgabe des Louisiana Museum of Modern Art erstmals seit vielen Jahren in einem deutschen Museum gezeigt wird. In diesem Werk verknüpft Kentridge die Erinnerung an den Genozid, den deutsche Soldaten 1904 an den Herero in Deutsch-Südwestafrika verübt haben, mit einer pointierten Kritik an der europäischen Aufklärung, in der er den Kolonialismus vorgeprägt sieht.
Auch Kentridges intensive Auseinandersetzung mit Literatur, Theater und Musik findet Eingang in die Ausstellung. Die Ambivalenz gesellschaftlicher Utopien, die sich oft ins Gegenteil verkehren, ist für Kentridge ein zentrales Thema, seit er 2010 für die Metropolitan Opera New York die Oper Die Nase von Dmitri Schostakowitsch inszeniert hat. Die dreißigteilige Radierfolge The Nose (2006–2009) sowie die Lithografie-Collagen Portraits for Shostakovich (2022) verhandeln auf vielschichtige Weise die Spannungen zwischen Utopie und gesellschaftlicher Realität.
Mit jüngsten Arbeiten führt die Schau bis in die unmittelbare Gegenwart. Die Dreikanal-Filminstallation To Cross One More Sea (2024) bezieht sich auf die Flucht von 350 Menschen im März 1941 mit dem Schiff von Marseille nach Martinique in der Karibik, darunter Künstler:innen und Intellektuelle wie André Breton, Claude Levi-Strauss oder Germaine Krull. Indem Kentridge die Passagierliste um weitere Namen ergänzt, löst er die Arbeit vom konkreten historischen Kontext und stellt allgemeine Fragen nach gesellschaftlicher Teilhabe und kultureller Selbstermächtigung.
Im letzten Ausstellungsraum ist die Filmserie Self-Portrait as a Coffee-Pot zu sehen – neun seit 2020 in seinem Atelier gedrehte Kurzfilme, in denen Kentridge auf profunde und unterhaltsame Weise Einblicke in sein künstlerisches Denken und Schaffen gewährt. Dazu führt er Gespräche mit seinem Doppelgänger, wobei sich die beiden häufig widersprechen. Kentridge spricht komplexe Themen auf ebenso prägnante wie humorvolle Weise an.
Die Ausstellungen in Dresden und Essen sind in enger Zusammenarbeit mit William Kentridge entstanden. Der gemeinsame Ausstellungskatalog (38 Euro) erscheint im Steidl Verlag.
Informationen
William Kentridge in Dresden und Essen
Listen to the Echo
Museum Folkwang: 4. September 2025 – 18. Januar 2026
Staatliche Kunstsammlungen Dresden: ab 6. September 2025
Eintrittspreise Museum Folkwang: 14 € (regulär) / 8 € (ermäßigt)
Hauptförderer der Ausstellung in Essen ist:
RAG Stiftung
Förderer der Ausstellung in Essen sind:
Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen
Sparkasse Essen
Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland
Kulturstiftung Essen
Folkwang-Museumsverein
Pressebilder auf www.museum-folkwang.de und www.skd.museum/besucherservice/presse
Ausstellungsansicht Museum Folkwang„William Kentridge. Listen to the Echo, 2025
Foto: Museum Folkwang Sebastian Drüen
Werke © William Kentridge
Ausstellungsansicht Museum Folkwang„William Kentridge. Listen to the Echo, 2025
Foto: Museum Folkwang Sebastian Drüen
Werke © William Kentridge
William Kentridge
Foto: Museum Folkwang Sebastian Drüen
Werke © William Kentridge
William Kentridge
Drawing for Self-Portrait as a Coffee-Pot (2 Private Thoughts), 2021
Tusche, Buntstift, Kohle, Pastellkreide und Collage auf Papier
152 × 208 cm
Courtesy Mark und Dana Strong
Abb.: Thys Dullaart
© William Kentridge, 2025
Ausstellungsansicht Museum Folkwang„William Kentridge. Listen to the Echo, 2025
Foto: Museum Folkwang Sebastian Drüen
Werke © William Kentridge
Ausstellungsansicht Museum Folkwang William Kentridge. Listen to the Echo, 2025
Foto: Museum Folkwang Sebastian Drüen
Werke © William Kentridge
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